„Geistiges Eigentum“

Wenn ich mir, losgelöst von den aktuell wieder hochgekochten Urheberrechtsdebatten, den Begriff „geistiges Eigentum“ auf der Zunge zergehen lasse, werden in meinem Kopfraum spontan zwei Worte projiziert: „Klingt absurd“ oder drei: „Klingt völlig absurd“. Wären bei derlei Diskursen nicht sinnvollere Begrifflichkeiten wie Kopierrecht oder Immaterialgüterrecht basierend auf dem Urheberrecht angebracht? Das Wortkonstrukt „Geistiges Eigentum“ zielt m.E. eher auf immaterielle Besitzstandswahrung nach Feudalherrenart, ein Schlagwort der Contentmafia und Speerspitze der Abmahnindustrie. Als beinahe grotesk empfinde ich es, wenn  über  „Diebstahl geistigen Eigentums“ schwadroniert wird. Wie bitteschön soll das denn gehen? Ich habe mal bildhaft dargestellt, wie ich mir das vorstelle:

Geistiges Eigentum und Diebstahl

Das passt :mrgreen: Die Gleichsetzung von Kopie und Diebstahl erscheint mir so sinnig wie Schlagzeilen der „Bild“. Da sind wir dann schnell bei den unsäglichen Raubmordkopierer-Kampagnen der Film- und Musikindustrie, wo Vergehen im juristischen Sinne moralisch zu Verbrechen überhöht werden und Menschen, die illegal vervielfacht haben, mal eben in die schwerkriminelle Ecke verfrachtet.

Werke zu schaffen bedeutet, Braininput zu verarbeiten, zu filtern und zu katalysieren, daraus etwas Neues entsehen zu lassen. Keine Idee entsteht in einem luftleeren dunklen Raum, alles wird letztendlich extern beeinflusst, man lässt sich inspirieren, wird von anderen Gedanken getragen. Wäre alles je Erdachte und Veröffentlichte im Privatbesitz, wie „geistiges Eigentum“ suggeriert, wären Kunst und Kultur gar nicht denkbar. Die persönliche Urheberschaft als solche stelle ich nicht in Frage. WIR sind alle Urheber, wir, die Blogs betreiben oder sonstwo publizieren. Urheberschaft ist kein Alleinstellungsmerkmal einer kreativ schaffenden intellektuellen Elite. Über Schöpfungshöhe lässt sich selbstverständlich streiten 😉

„Geistiges Eigentum“ hat als Argument in einer vernünftigen Diskussion über Filesharing und Schutz von Urheberrechten m.E. nichts verloren, ist für mich nicht mehr, aber auch nicht weniger als das, was einem im Kopfe herumschwirrt. Wer seine Gedanken nicht teilen möchte, darf seinen mentalen Privatbesitz gerne weiterhin in seinem Schädelinnenraum aufbewahren,…

Lesefutter mit hohem geistigen Nährwert zum Thema:

5 Kommentare zu “„Geistiges Eigentum“

  1. Kurze (nicht ganz ernst gemeinte) Frage am Rande: Zählt das Abspicken beim Sitznachbarn in der Schule eigentlich auch zum „Diebstahl geistigen Eigentums“? Müssten die entsprechenden Schüler dann neben den üblichen Bestrafungen auch mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen? 😉

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    • Hängt vom Schulfach ab und davon, ob Dein Sitznachbar bereits einen Vertrag mit einem Rechteverwerter unterzeichnet hat. Wenn ja, läuft die Abmahnmaschinerie an und Du bekommst Post,… 😉

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  2. @jennybennyfan. Und wo haben all diese Lehrer abgeschrieben. Also auch wieder einmal ein geistiger Diebstahl. Man müßte alle bösen Lehrer und bösen Oberlehrer strafrechtlich verfolgen lassen.

    @Tom – wieder einmal genial. Ja, es verdienen dabei die Verwertungsgesellschaften samt ihren Anwälten, das meiste. Übrigens aus welchen geistigen Eigentum kommen da jetzt meine geistigen Ergüsse.

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    • Danke lieber Quardian 🙂
      Du und auch ich und jedermann sonst, wir schöpfen alle aus dem geistigen Reichtum der Menschheit (z.B. Sprache, Klänge, Bilder), der jedem gehören sollte. Daraus entstehen neue Ideen.

      Eigentum ist übertragbar, daraus folgt, dass auch „geistiges Eigentum“ übertragbar wäre. Wer sein „geistiges Eigentum“ bzw das, was er dafür hält, veräußert, hat vielleicht seine Seele verkauft,…

      Urheberschaft dagegen bleibt beim Urheber. Wer das Wortkonstrukt „Geistiges Eigentum“ in eine Debatte um Urheberrechte einbringt, disqualifiziert sich m.E. von einer fairen gescheiten Diskussion und setzt sich dem Verdacht aus, nur seine Pfründe sichern zu wollen (es geht ja leider fast immer nur ums Geld),…

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  3. Hallo Tom, ick bin mal wieder da, Du wirst es ja sicherlich schon gelesen haben. Ist diesmal ein wenig länger geworden. Ich habe ganz bewußt die Frage nach dem Besitz in diese Richtung nicht gestellt, aber die Frage nach dem geistigen oder sonstwedem Eigentum steht ja auch im Raum. Ist schon interessant, das sich mehrere Menschen zum gleichen Zeitpunkt die selbe Frage stellen. Für die, die mal reinlesen wollen in unsere „Selbstvernichtung“ hier ist der link, http://www.scribd.com/doc/94959131/Ist-Wohlstand-vielleicht-doch-eine-Krankheit (Helmtragen ist Pflicht 😉 wie gesagt auch nicht so ganz tierisch ernst gemeint) Viele Grüße com. Mike

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